Estragon – für die einen eine Verheißung der Weihen hoher Küche, für die anderen ein eher unbekanntes Gewürz. Dass möglicherweise gleich beim ersten Probieren für immer aus Ihrem Haushalt verbannt werden könnte, Sie müssen nämlich genau aufpassen, welchen Estragon Sie anpflanzen. Die richtige Sorte wird Ihre Erwartungen aber eher noch übererfüllen, hier erfahren Sie alles zur Aussaat, Pflege und Ernte.
Estragon ist nicht gleich Estragon
Artemisia dracunculus, wie der botanische Name lautet, war vor ein paar Jahrzehnten ein jedem gutem Koch bekanntes und vertrautes Kraut. Es war ein unverzichtbarer Bestandteil der klassischen französischen Küche. Nicht nur die berühmte Sauce Béarnaise bekam ihren typischen Geschmack durch den Estragon. Estragon ist immer noch ein unverzichtbarer Bestandteil der französischen Spitzen-Küche. Aus dem Gewürzalltag der meisten Köche scheint er sich jedoch verabschiedet zu haben.
Das hat seinen Grund, und der liegt darin, dass Sie heutzutage fast nie mehr Echten Estragon erhalten, wenn Sie Samen oder Estragon-Jungpflanzen einkaufen gehen. Denn es gibt unterschiedliche Sorten.
Russischer oder Sibirischer Estragon, Artemisia dracunculus var. inodora
Das ist der Artemisia dracunculus, den Sie üblicherweise in Gartencentern oder im Internethandel zum Verkauf angeboten bekommen. Der Russische Estragon ist eine Variation der ursprünglichen Wildform, die wahrscheinlich bereits durch Zucht verbessert wurde. Sie ist zur Kultur in kaltem Klima gezogen und wird deshalb in unseren Gärtnereien am meisten angebaut und gehandelt. Im Gegensatz zu vielen anderen Variationen der Art, die gerne sterile Samen produzieren, bildet Russischer Estragon ziemlich leicht Samen aus, und er ist bis etwa minus 10 Grad winterfest.
Sie erkennen Russischen Estragon an seinen ziemlich breiten Blättern, die an der Unterseite silbrig schimmern können.
Artemisia dracunculus var. inodora bringt es nur zu einem geringen Gehalt an ätherischem Öl, auch die chemische Analyse der weiteren Inhaltsstoffe der Pflanze zeigt, dass ihm die geschmacksbestimmenden Flavonoide (sekundäre Pflanzenstoffe) des Französischen Estragons zum größten Teil fehlen.
Deshalb entwickelt Russischer Estragon kaum Aroma, fachkundige Köche beschreiben ihn als wenig aromatisch, ölig und eher grasig-bitter bis langweilig im Geschmack. Außerdem neigt er dazu, bei zu viel Sonne und Trockenheit und beim Mitkochen Bitterstoffe zu entwickeln. Wenn Sie also genau das edle und feine süße Aroma suchen, das Sie in früheren Zeiten immer von Sauce Bearnaise schwärmen ließ (die heute auch in Restaurants nur noch selten in geschmackvoller Qualität serviert wird), ist das bestimmt nicht Ihr Artemisia dracunculus.
Dafür kann der Russische Estragon als Gewürz und als Gemüse genutzt werden, mehr dazu siehe unten bei „Pflege“.
Französischer oder Echter Estragon, Artemisia dracunculus var. sativa
Eine andere natürliche Variante des Estragons, die durch Zucht veredelt wurde. Diese Variante produziert nur noch sehr selten Blüten und Samen. Dieser Artemisia dracunculus kann also nur vegetativ vermehrt werden. Das ist für die Produktion die unbequemere Arbeitsweise, weshalb Sie Französischen Estragon nur in ausgesuchten Fachgärtnereien bekommen.
Den Französischen Estragon können Sie an seinen vielen, etwas „wirr“ wachsenden Trieben mit den langen, schmalen Blättern erkennen.
Französischer Estragon bildet bis zu drei Prozent ätherisches Öl aus (Russischer: 0,1 Prozent) und ist berühmt für sein liebliches, an Anis erinnerndes Aroma. Dieser Artemisia dracunculus lässt sich hervorragend zur Verfeinerung vieler feiner heller Soßen einsetzen und ergänzt Fisch und Geflügel vortrefflich. Sein karamellartiges, mitunter fast marzipanähnliches Aroma ist deutlich freundlicher als das des russischen Estragons. Dieser Estragon wird auch nicht bitter, wenn er im Sommer bei größter Hitze wächst. Französischer Estragon gibt dem beliebten Kräuter-Frischkäse „Le Tartare“ sein typisches Aroma. Er ist natürlich der Estragon, der an die berühmte Sauce Béarnaise gehört.
Deutscher Estragon
Dieser wird häufig als die gleiche Pflanze wie der Französische Estragon angesehen und bezeichnet. In Wirklichkeit handelt es sich jedoch um eine weitere Varietät der Art, die z. B. unter dem botanischen Namen Artemisia dracunculus cv. verkauft wird.
Es handelt sich um eine zweite Sorte „aromatischen“ Estragons, die ebenfalls nur durch Stecklinge vermehrt werden kann. Deutscher Estragon wächst jedoch etwas stärker als Französischer. Er ist auch robuster und deshalb für unsere Gärten gut geeignet. Er hat ebenfalls ein starkes Aroma, das im Geschmack eine Art Kreuzung des lieblichen französischen und des herben russischen Estragons darstellt.
Wenn Sie auf diverse andere Sorten stoßen, die als „Wild-Estragon“ vertrieben werden, dürfen Sie im Gegensatz zu vielen anderen Wildformen von Kräutern nicht allzu viel erwarten. Denn die aromatischen Sorten sind durch Zucht entstanden. Die meisten anderen Unterarten der Artemisia dracunculus glänzen eher durch absolute Abwesenheit irgendeines würzigen Aromas.
Echten „französischen“ Estragon anbauen
Wenn Sie mit Ihrem Artemisia dracunculus kulinarisch glücklich werden möchten, sollten Sie also sicherlich den Französischen Estragon anbauen, der sich jedoch leider ziemlich ziert.
Er ist vor allem in der Jugend recht empfindlich, im Vergleich zu seinem „russischen Verwandten“ wirklich nicht leicht zu kultivieren, und keimfähige Samen für eine Aussaat werden Sie auch nirgends bekommen. Sie müssten in auf Kräuter spezialisierten Fachgärtnereien nach Jungpflanzen suchen, die dort aus Stecklingen oder geteilten Wurzelstöcken gezogen werden.
Wenn Sie eine Jungpflanze „ergattert“ haben, sollte diese in einen gut wasserdurchlässigen und humusreichen Boden an einen warmen und sonnigen Standort gesetzt werden. Der junge Französische Estragon ist ziemlich frostempfindlich. Sie sollten ihn deshalb im Frühjahr anpflanzen, damit er den Sommer über gut anwachsen kann.
Wenn das geschehen ist, haben Sie fast schon gewonnen. Wenn ein Estragon erst einmal Fuß gefasst hat, gedeiht er gewöhnlich hervorragend, auch der Französische. Die älteren Pflanzen werden auch immer frosthärter. Wenn Sie Glück haben, haben Sie nach ein paar Jahren auch mit einem Französischen Estragon kaum mehr Arbeit oder Probleme.
Russischer und Deutscher Estragon – Der Anbau
Der Russische oder Sibirische Estragon lässt sich leicht aus Samen ziehen. Er ist insgesamt so anspruchslos und klimabeständig, dass Sie ihn im April direkt ins Beet aussäen können. Die Aussaat erfolgt oberflächlich, Artemisia dracunculus zählt zu den Lichtkeimern. Dabei sollten Sie ihm eine recht großzügig bemessene Fläche zugestehen. Jede Staude wird zwischen 60 cm und über einen Meter hoch und braucht etwa eine Grundfläche von einem Quadratmeter. An einem ihm genehmen Platz wird sich der Russische Estragon als frostfest und ausdauernd erweisen.
Den Russischen Estragon können Sie als Frühjahrsgemüse essen, dann muss er in einen feuchten und nahrhaften Boden gepflanzt werden. Sie ernten dann die jungen Triebe mitsamt Stiel, solange sie noch weich sind (das sind sie, bis sie etwa 10 cm hoch sind). Diese können wie grüne Bohnen oder Champignons in Butter gedünstet und gegessen werden. Wenn Sie schon eine Staude überwintert haben, wird das sicher ihr erstes selbstgeerntetes Gemüse der Saison werden.
Wenn Sie Russischen Estragon als Gewürzkraut nutzen möchten, sollte er in einen eher kargen Boden gepflanzt werden. Bis er das volle Aroma ausbildet, sollte er sich dann mehrere Jahre an derselben Stelle entwickeln können. Was Ihnen wenig Probleme bereiten sollte, Russischer Estragon ist ausgesprochen anspruchslos und vital.
Deutschen Estragon werden Sie in aller Regel nur als Jungpflanze erwerben können, ebenfalls nur in Fachgärtnereien, er braucht einen geschützten Standort mit gleichmäßiger Bodenfeuchtigkeit und einen gut mit Kompost versorgten Boden. Er braucht ebenfalls ziemlich viel Platz im Beet, zwei bis vier Pflanzen pro Quadratmeter können Sie von diesem Artemisia dracunculus jedoch setzen. Normalerweise bekommt der Deutsche Estragon einen eher mageren Boden. Sie können ihn aber auch wie den Russischen als Gemüse essen, wenn Sie ihn in einem feuchten und nährstoffreichen Boden aufziehen.
Die Pflege
Etwas heikel in der Pflege ist der französische Estragon, dessen Ansprüche deshalb genauer behandelt werden:
- Französischer Estragon immer gut feucht halten, ohne Staunässe
- am Anfang ist dieser recht zart
- kann sich gegen Unkraut noch nicht sehr gut durchsetzen, Estragonbeet deshalb regelmäßig jäten
- besseres Aroma, wenn Sie ihn in der Haupt-Wachstumsphase düngen
- mit Naturdünger, der den Geschmack nicht beeinflusst
- wächst er eifrig, durch Stützstäbe zusätzliche Stabilität geben
- oder Staudenring verwenden, verhindert das Auseinanderfallen der Pflanze
- regelmäßig die Stängel auslichten, verdichtet den Wuchs des sich entwickelnden Blattwerks
- Blüte aus dem gleichen Grund entfernen
Den Deutschen Estragon können Sie genauso behandeln wie den Französischen, er ist aber ein gutes Stück kräftiger und robuster und gedeiht meist völlig problemlos.
Mit der Pflege des Russischen Estragons werden Sie noch weniger Last haben. Er ist wüchsig, robust und mehr als ausdauernd. Über zögerliche Entwicklung werden Sie sich bei ihm sicher nicht beschweren müssen. Russischer Estragon könnte Sie eher in genau der gegenteiligen Richtung beanspruchen, indem er sich als derart ausbreitungsfreudig erweist, dass Sie ihn sehr viel öfter stutzen müssen, als Ihnen lieb ist. Alle Arten Artemisia dracunculus entwickeln nämlich Rhizome, über die sie sich in einer ihnen genehmen Umgebung reproduzieren (das ist auch der Grund dafür, dass viele Sorten so „faul“ bei der Blüten- und Samenausbildung sind).
Die Ernte
Sie können von Frühjahr bis zum ersten Frost Blätter und zarte Triebspitzen des Estragons ernten, die gleich frisch verwendet werden. Bis zur Blüte könnten Sie dabei immer gleich ein paar Stängelspitzen bis auf die Hälfte zurückschneiden, so fördern Sie laufend die Entwicklung neuer, zarter Seitentriebe.
Wenn Sie Artemisia dracunculus konservieren möchten, sollten Sie kurz vor Beginn der Blüte ernten, dann schmeckt er am besten.
Sie können die jungen Triebe eine Weile in einer Kunststofftüte im Kühlschrank frischhalten oder in einer Eiswürfelschale mit ganz wenig Wasser einfrieren und die Würfel später einzeln entnehmen. Estragon lässt sich auch sehr gut in Weißweinessig eingelegen oder in Öl aufbewahren. Sie können auch eine gute Handvoll frischer Blätter in einem Senf unterbringen, der jedoch noch in der laufenden Grillsaison verbraucht werden sollte.
Artemisia dracunculus kann auch getrocknet werden. Die Würzkraft des getrockneten Estragons ist zwar nicht mit der frischen Estragons zu vergleichen, aber viele Gerichte schmecken mit getrocknetem Estragon immer noch besser als ganz ohne. Dazu schneiden Sie (an einem Vormittag, an einem trockenen Sonnentag) ganze Stängel ab, streifen die Blätter sofort nach dem Schneiden vom Stängel und breiten diese auf einem flachen Behälter zum Trocknen aus. Ausnahmsweise sollten die Zweige nicht in dekorativen Bündeln aufgehängt werden. Sonst wandern seine Inhaltsstoffe während des Trocknens in den Stängel zurück.
Fazit
Estragon anzubauen ist – wenn überhaupt problematisch zu nennen – eher eine Sache der Geduld als eine Frage komplizierter Pflege. Wenn Sie Artemisia dracunculus im eigenen Garten anbauen, lohnt sich wirklich, auf die Suche nach Echtem Estragon zu gehen. Der ebenso wie Russischer und Deutschen Estragon im Garten überwintern kann, wenn Sie sich in der ersten Zeit um eine fachgerechte Überwinterung kümmern.