Zimmerpflanzen Orchideen

Orchideen schneiden: wie umgehen mit Wurzeln/Luftwurzeln?

Orchidaceae - Orchideen - Vanda

Es gibt gut 22.000 Arten von Orchideen auf unserer Welt, die in der Natur im Flachland oder im Bergland wachsen, immer feuchte oder einen Teil der Saison trockene Umgebung gewohnt sind, in der Erde wurzeln oder sich (häufiger) als Aufsitzerpflanzen (Epiphyten) auf Bäumen entwickeln. Die epiphytisch wachsenden Orchideen bilden immer Luftwurzeln aus, die in Erde (Substrat) wachsenden Orchideen haben häufig die Fähigkeit, zusätzlich zu den Erdwurzeln Luftwurzeln auszubilden. Diese Luftwurzeln machen das, was jede Wurzel „für ihre Pflanze tut“: Die Orchideen mit Wasser und Nährstoffen versorgen. Sie haben allerdings die besondere Fähigkeit entwickelt, Wasser und Nährstoffe aus Luft aufnehmen, wenn diese Luft genug Luftfeuchtigkeit enthält, um diese besondere Filtertätigkeit zu ermöglichen.

Wurzeln und Luftwurzeln

Wenn eine Orchidee in Substrat kultiviert wird, kann sie nur auf „normalen“ Wurzeln wachsen oder zusätzlich Luftwurzeln entwickeln. Wenn eine Orchidee wurzelnackt kultiviert wird, stehen ihr ohnehin nur die Luftwurzeln zur Versorgung zur Verfügung. Bei welcher Pflege und in welcher Umgebung eine Orchidee mit oder ohne Substrat kultiviert wird, hat dann auch noch entscheidenden Einfluss darauf, ob sich Erdwurzeln, Luftwurzeln oder eine Kombination von Erd-Luft-Wurzeln prächtig entwickeln oder öfter korrigierende Pflegeeingriffe benötigen.

In einer deutschen Wohnung wächst eine Orchidee nie so ganz in ihrer Traumumgebung (freundlich ausgedrückt). Das Wohnzimmer mit deutschem Klima ist eben kein Regenwald – auch wenn theoretisch jeder Privatmann heute künstliches Regenwaldklima im Wohnzimmer schaffen könnte, weil die technischen Möglichkeiten es hergeben, nutzt das rein praktisch wenig: Wenn Sie Ihrem Wohnzimmer „ein Klima verpassen“, in dem die Orchidee sich wohlfühlt, schlagen die Tapeten vor lauter Feuchtigkeit Wellen an den Wänden und Sie haben nach kurzer Zeit das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen, unter 90 % Luftfeuchtigkeit ist für eine Orchideen die Welt nämlich auf Dauer nicht in Ordnung.

Wenn Menschen mit diesen besonderen Pflanzen in einem Raum mit für Menschen erträglichem Raumklima leben wollen, läuft das also für die Orchideen immer auf einen Kompromiss hinaus. Beste Pflege kann viel reißen, aber Sie müssen schon davon ausgehen, dass eine Orchidee bei uns statistisch eher am Rande eines Mangels schwebt als „unter zuviel Wuchskraft leidet“.

Deshalb sollten Sie bei jedem Beschnitt einer Orchideen höchst vorsichtig vorgehen, vor allem braucht die Orchidee jedes kleine Wurzelstückchen, um die Versorgung sicherzustellen; egal ob es sich dabei um Erdwurzeln oder Luftwurzeln handelt. Für den Beschnitt der Orchideen selbst und der Erdwurzeln bedeutet das:

Orchideen in Erdkultur: Schnitt und Wurzelschnitt

Orchidaceae phalaenopsis - Orchideen Viele Orchideen wachsen in der Natur in Erde und deshalb „im Exil“ auch durchaus gerne in Substrat. Also ganz normal, unten Wurzeln und oben Stamm und Triebe, Blätter und Blüten, mit einem ziemlich eigenen Wuchsverhalten: Orchideen wachsen nie ganz oben im Tropenwald, dann müssten sie ja irgendwie in Baumkronen schweben, sondern in einem mehr oder weniger lichtnahen „Untergeschoß“. Darauf hat sich das genetische Wuchsprogramm der Pflanze ausgerichtet, sie strebt entschlossen zum Licht, und das so konsequent, dass sich neue Triebe immer nur ganz oben entwickeln, während sich die unteren Blätter nach einer gewissen Lebenszeit verabschieden.

Deshalb braucht eine Orchidee „oben herum“ normalerweise überhaupt keinen Rückschnitt bzw. das Beschneiden oberirdischer Pflanzenteile einer Orchidee wird immer nur zur Korrektur von Fehlentwicklungen nötig.

Zu den einzelnen möglichen Fehlentwicklungen kommen wir gleich, generell gilt für den Beschnitt im Bereich Blüte, Blatt, Trieb, Stiel:

  • Eine Orchideen ist kein Gehölz, das auf Schnitt mit verstärktem Austrieb reagiert – die Schere ist immer die allerletzte Lösung
  • Denn meist stört der Schnitt nur die Bemühungen der Pflanze, neuen Austrieb zu produzieren
  • Weder Blüten noch Blätter brauchen Nachhilfe, wenn sie zu Verwelken beginnen
  • Orchideen bilden teils komplizierte Verankerungen und ziehen aus welkenden Teilen oft auch noch Nährstoffe ein
  • Deshalb besser warten, bis verwelkte Pflanzenteile von selbst abfallen
  • Selbst wenn eine Orchideen alles abwirft, braucht der nun nackte Stamm keine Schere
  • Sondern Zeit und Ruhe, bis sich neuer Austrieb bildet, was einige Wochen dauern kann
  • Zum Beispiel bei mehrtriebigen Orchideen, bei denen die abgefallenen Blüten einen leeren Stängel zurücklassen
  • Wenn dieser schön grün aussieht, sollte er noch nicht entfernt werden, oft bilden sich wieder neue Blüten

Bei folgenden (Fehl)Entwicklungen können Sie der Pflanze durch Beschneiden helfen:

  • Eintriebige Orchideen blühen an einem Haupttrieb, der nach der Vegetationsphase nicht mehr weiter wächst
  • Stattdessen schickt die Orchideen aus dem Rhizom einen neuen Spross in die Höhe
  • Wenn der alte Blütentrieb sichtbar komplett abgestorben ist, wird er tief abgeschnitten
  • Entfernt gehören auch Stängel mehrtriebiger Arten, die vollkommen braun und trocken wurden
  • Ist hier nur ein Teil vertrocknet, sollte auch nur dieser Teil weggeschnitten werden
  • Aus dem noch lebenden Stück können sich neue Blüten entwickeln
  • Weggeschnitten werden weiter durch falsche Pflege verkümmerte Pflanzenteile
  • Die bieten sich gewöhnlich an zum Schnitt, weil sie gelb, verfault oder braun und trocken aussehen
  • Wenn die Optik vertrocknender unterer Blätter stört, hilft oft leichtes Ziehen
  • Nimmt der Blattverlust überhand, sollte die ganze Pflanze auf Krankheiten und Schädlingsbefall überprüft werden
  • Wenn der Stamm erkrankt ist, kann er gelbe bis braune Verfärbungen ausbilden
  • Dann kann er bis ins gesunde Grün gekürzt werden, wird das aber nicht unbedingt überleben
  • Im Zweifel auch hier also besser etwas abwarten, ob sich der Trieb wieder fängt
  • Aber auch nicht zu lange warten, tote Pflanzenmasse belastet die Orchidee
  • Blühfaule, alte Orchideen können durch einen etwas entschiedeneren Beschnitt der Wurzeln verjüngt werden

Orchidaceae phalaenopsis - Orchideen Wurzeln werden nie beschnitten, wenn es nicht zur Korrektur von Fehlentwicklungen notwendig wird. Fehlentwicklungen der Wurzeln drohen bei Orchideen in Erdkultur in zweierlei Richtung: Das Kultursubstrat – Hydro-Tonkügelchen, Kokoshum, Korkschnitzel, Perlite, Rindenschnitzel, Tonbröckchen, Styroporkugeln, Vermiculite oder Mischungen aus diesen und ähnlichen Substanzen – gibt der Pflanze Halt, speichert aber auch ganz ähnlich wie die schwammähnliche Wurzelhaut das Wasser.

Ob sich die Erdwurzeln gut entwickeln, hängt bei dieser Kulturform vor allem davon ab, dass Sie den Wurzeln ein möglichst korrektes Maß an Feuchtigkeit zukommen lassen. Wenn die Orchideen auch nur kurz in gestautem Wasser steht (was sie aus ihrer Heimat nicht kennt, Regenwald klingt zwar nach viel Regen, ist aber trotzdem so aufgebaut, dass auch viel Wasser von oben immer sofort abläuft), fangen Erdwurzeln gerne an zu faulen. Wenn Sie zu zögerlich bewässern, werden feine Wurzelenden vertrocknen. Wenn der Orchidee nicht feucht genug kultiviert wird, wird sie außer den Erdwurzeln oft Luftwurzeln bilden, um so in der Luft nach Nährstoffen zu suchen.

Auch bei den Wurzeln gilt, dass nur sichtbar und sicher verfaulte oder vertrocknete Teile weggeschnitten werden sollten. Die beste Zeit für den Wurzelbeschnitt ist gekommen, wenn die Orchidee ohnehin umgetopft werden muss. Umgetopft werden muss sie immer dann, wenn Luft- oder andere Wurzeln in ihrem Umfang merkbar nicht mehr zum Pflanzgefäß passen (wenn möglich, mit Umtopfen und Beschnitt bis nach der Blütezeit warten, die Orchideen hat dann mehr Widerstandskraft). Nehmen Sie den nächst größeren Blumentopf, zu große Gefäße geben den Wurzeln nicht genug Halt.

Wenn eine Orchidee in Erdkultur „aus Notwehr“ Luftwurzeln gebildet hat, entsprechen diese rein optisch nicht dem Geschmack jedes Zimmergärtners. Trotzdem sollten Sie versuchen, mit diesen Luftwurzeln zu leben, weil das Wegschneiden die Orchideen „endgültig in Agonie stürzen könnte“. Sie können die neuen, zusätzlichen Wurzeln aber nutzen, um sich die Pflege Ihrer Orchideen in Zukunft zu erleichtern: Besprühen Sie in Zukunft vor allem die Luftwurzeln und erst in zweiter Linie die ganze Orchidee – wenn Sie es schaffen, dass die Luftwurzeln immer ein wenig Feuchtigkeit enthalten, tun Sie viel dafür, dass sich die Orchideen in unserem Klima doch ganz wohlfühlt.

Bei Feuchtigkeits-Freaks wie den Vanda-Orchideen werden Sie mit dieser Taktik sogar eine typische Schwierigkeit bei der Haltung los: Vanda-Orchideen wollen am liebsten ständig eine Luftfeuchtigkeit von rund 90 Prozent um sich haben, was im Wohnraum bei Vandas in reiner Erdkultur nur zu schaffen ist, wenn Sie sie dauernd mit Wasser besprühen. Wenn Ihr Wohnzimmer dann langsam einer feuchten Grotte ähnelt, beginnt die Vanda-Orchidee, sich wohlzufühlen. Es gibt aber Erfahrungsberichte, dass Sie beim Besprühen vor allem der Luftwurzeln etwas weniger Feuchtigkeit in der Luft verteilen müssen, mit dem Ergebnis, dass Mensch und Orchidee zufrieden zusammen leben können.

Das richtige Werkzeug

Orchidee - Frauenschuh - Cypripedium phragmipedium Wenn Sie lesen, dass Sie Ihr Schnittwerkzeug säubern oder sogar desinfizieren sollten, ist das insofern richtig, dass beim Umgang mit Pflanzen auch eine Grundhygiene einzuhalten ist. Eben genau die Hygiene, die im Haushalt dafür sorgt, dass ein paar mit dem Huhn eingekaufte Salmonellen auf/im Huhn bleiben und mit ihm im Topf/Ofen bei mindestens 75° C (mindestens 10 min Kerntemperatur) sterben und nicht über Schneidebrett, Messer u.ä. durch die Küche verteilt werden. Wo sie ohne Angriff durch Essigreiniger wochenlang überleben und sich vielleicht noch auf feuchten Flächen in der Wärme einer geheizten oder sommerwarmen Küche prima vermehren. Bei den Pflanzen geht es vor allem darum, keine Krankheiten und Pilze zu verteilen.

Wenn das Schnittwerkzeug nicht gerade zum Beschnitt einer völlig verpilzten Pflanze o. ä. genutzt wurde (dann mind. 5 min in Wasser auskochen), reicht aber ganz normales Abwaschen, die üblichen Keime des Haushalts schwirren auch in der Luft herum und sind Ihrer Orchidee ohnehin schon bekannt. Diese Keime können sich übrigens auch in den Steinen, Blähton-Kugeln u. ä. des Substrats konzentrieren, die deshalb gelegentlich einer gründlichen Wäsche unterzogen werden sollten. Wenn Sie sich dann noch gründlich die Hände waschen, bevor Sie an den Orchideen herumschnippeln, haben Sie genug für die Hygiene getan (und verwenden Sie bitte nur ganz normale Essigreiniger, Spüli, Seife; wenn die medizinischen Desinfektionsmittel nicht dem medizinischen Bereich vorbehalten bleiben, droht die Entwicklung multiresistenter Alltagskeime).

Bei empfindlichen Wesen wie Orchideen empfiehlt sich eine Versorgung der Schnittstellen, die diese gegen Austrocknen und Infektion schützt. Wenn Sie den halben Stamm einer seltenen Orchidee wegschneiden mussten, kann sich ev. der Kauf einer Versiegelungspaste lohnen (nach Rücksprache mit Spezialisten, beim Beschnitt von Straßenbäumen wird z. B. heute auf Versiegelung verzichtet, weil das bereits im Pflanzengewebe befindliche Pilze eher „zum Blühen“ bringt). Mini-Wunden können mit traditionellen Gärtner-Mitteln wie Kohle, Kalk oder Schwefel (-pulver) überpudert und so ausreichend desinfiziert werden. Wenn Sie Spaß an halb alchemistischen Rührmischungen haben, finden Sie im Internet aber auch tolle Rezepte mit Tanninpaste aus der Rinde von Mangrovenbäumen (lange genutzter natürlicher Gerbstoff mit hohem Tanningehalt von bis zu 42 %), zerstoßenen Muschelschalen (woraus aber auch nur Muschel-Kalk entsteht), Tumericpulver (bekannter als Kurkuma) und anderen geheimnisvollen Ingredenzien.

Wurzelnackt kultivierte Orchideen beschneiden

Viele Orchideen wachsen am liebsten mit den Wurzeln an der Luft und werden deshalb in hängenden Körben aus Drahtgeflecht oder Schnur oder in luftigen Gläsern mit weiter Öffnung kultiviert.

Orchidaceae cambria - Orchidee Im Bereich über der Erde werden diese Orchideen beschnitten wie gerade geschildert, für die Luftwurzeln gilt vor allem: Eifrig mit Wasser besprühen und erst beschneiden, wenn es wirklich nicht mehr zu umgehen ist. Denn diese Orchideen ernähren sich im Hängekorb ausschließlich dadurch, dass sie Wasser und Nährstoffe aus der Luft zu filtern. Im Glas dürfen sie sich zwar gewöhnlich alle zwei Wochen „satt trinken“, aber das aufgefüllte Wasser wird wieder abgegossen, wenn aus dem Wurzelbereich keine Luftblasen mehr aufsteigen.

Diese Orchideen brauchen ihre Luftwurzeln also dringend für ihre Ernährung, sich sollten niemals austrocknen und erst vorsichtig beschnitten werden, wenn etwas ganz und gar nicht stimmt:

  • Komplett abgestorbene Luftwurzeln sollten weggeschnitten werden
  • Stark wuchernde Luftwurzeln dürfen soweit gekürzt werden, dass die Orchideen nicht den Halt im Kulturgefäß verlieren
  • Außerdem sollte die Nährstoffversorgung der Orchideen überprüft werden, wuchernde Luftwurzeln wuchern aus Hunger
  • Wenn genug Nährstoffe zugeführt wurden, kann Verdichtung des Substrats die Nährstoffaufnahme erschweren
  • Verfaulte Teilstücke der Luftwurzeln oder krank wirkende Wurzeln sollten weggenommen werden
  • Wenn alte Orchideen nicht mehr blühen, können die Wurzeln etwas radikaler beschnitten werden, das verjüngt die Pflanze

Alles andere bleibt besser an der Orchidee, auch vertrocknete Luftwurzeln – solange sie noch nicht das Wohnzimmer erobern, geben sie der Pflanze mehr Stabilität im Pflanzgefäß. Vertrocknete Luftwurzeln mahnen aber neben Nährstoffmangel auch zu niedrige Luftfeuchtigkeit an, hier sollte also regelmäßig die Sprühflasche zum Einsatz kommen, oder Sie stellen unter den Orchideen Verdunstungsbehälter auf. Auch hier wird am besten im Zuge des Umtopfens beschnitten, das fällig ist, wenn mehr Luftwurzeln aus dem Pflanzgefäß herauswachsen als sich im Gefäß befinden.

Fazit
Orchideen brauchen keine regelmäßige Schnittpflege, aber gute Wurzelpflege, weil den fremden Gästen die Versorgung über Wurzeln und Luftwurzeln im hiesigen Klima schwer genug fällt. Dazu gehört im Zweifel auch der Beschnitt der Wurzeln, der aber mit einem hohen Maß an Vorsicht durchgeführt werden sollte. Auch bei den Luftwurzeln, die häufig unterschätzt werden, aber ganz genauso zur Versorgung der Orchideen beitragen wie die Wurzeln in der Erde.